Wer im Frühling, Herbst oder Winter auf Sardinien weilt und vielleicht während einer Rundreise, einer Trekking-Tour oder Radreise die abwechslunsgreichen Küstenlandschaften oder das Inselinneren erkundet, der kann sich an einer wohlduftenden Pflanzenvielfalt erfreuen. Dabei handelt es sich natürlich vor allem um die immergrüne, dichte mediterrane Macchia mit ihrem harzigen Aroma, die auch im Sommer die Insel prägt und wild, widerstandsfähig und voller Leben ist, aber auch um zartere Blumen, Büsche und Bäume, die herrliche Farbtupfer in diese wildromantische Landschaft streuen.
Denn während der Frühling auf Sardinien eine Explosion von Farben ist – mit rosafarbenen Zistrosen, violetten Orchideen und gelbem Ginster – zeigt sich der Herbst von einer anderen, ruhigeren Schönheit. Dann leuchten die Früchte des Erdbeerbaums in kräftigem Rot, die Oliven reifen in silbrigem Grün, und das Laub mancher Bäume nimmt warme Ocker- und Bernsteintöne an. Und im Winter ist die mediterrane Macchia nicht kahl, sondern erstaunlich lebendig: Immergrüne Pflanzen wie Myrte, Rosmarin und Mastixstrauch verleihen der Landschaft auch in der kühleren Jahreszeit Duft und Struktur.

Von Kräutern, Büschen und Bäumen
Die mediterrane Macchia ist eine typische Flora des Mittelmeerraums, die aus dicht wachsenden Sträuchern, kleinen, oft windgebeugten Bäumen und aromatischen Pflanzen, die perfekt an die heißen, trockenen Sommer und die milden, regenreichen Winter angepasst sind, besteht. In Sardinien findet man sie fast überall: an den Küsten, auf den Hochebenen und in den Bergen bis in rund 800 Meter Höhe. Diese Pflanzen sind absolute Überlebenskünstler und haben oft feste, kleine Blätter, um die Verdunstung zu verringern, oder – und daher kommt der unverwechselbare Duft – speichern ätherische Öle, die sie vor Hitze und Fressfeinden schützen.
Der Rosmarin ist wohl einer der bekanntesten Vertreter. Er wächst wild an sonnigen Hängen und verströmt seinen kräftigen, würzigen Duft schon von weitem. Auf Sardinien wird er nicht nur als Gewürz geschätzt, sondern auch wegen seiner heilenden Wirkung. Weitere wohlduftende Pflanzen sind natürlich Thymian, Salbei, der wilde Lavendel mit violetten Blütenähren und die silberblättrige Santolina mit kleinen gelben Blüten.

Der Asphodel mit seinen hohen, weißen Blütenkerzen überzieht im Frühling ganze Wiesen, in denen dann auch wilde Orchideen versteckt sind. Auch die stachelige Distel, die mit der Artischocke verwandt ist, wächst am Wegesrand und die essbare Teile werden in der sardischen Küche genutzt. Die Zistrose (Cisto) ist ein Busch, der mit weißen oder rosafarbenen Blüten im Frühling die Macchia verschönt.
Der Mastixstrauch (Lentisco) ist ein robuster, immergrüner Busch mit kleinen, duftenden Blättern, der auch als Wilde Pistazie bezeichnet wird. Aus seinem Harz wurde früher ein aromatisches Kaugummi gewonnen, und sein aromatisches Öl diente zur Herstellung von Seifen und Lampenöl. Heute ist der Lentisco ein wichtiger Bestandteil der Macchia und Anziehungspunkt für zahlreiche Insekten.

Das Wandelröschen (Lantana) stammt zwar ursprünglich aus tropischen Regionen, hat sich aber perfekt an das sardische Klima angepasst und blüht nicht nur in Gärten und Parkanlagen, sondern auch dicht am Wegesrand. Die Blüten erstrahlen in allen möglichen Farbkombinationen aus weis, gelb, orange, rot und violett und setzen ganzjährig fröhliche Farbtupfer.

Ein anderer häufig präsenter Busch ist die Myrte, ein immergrüner Strauch mit kleinen, glänzenden Blättern und weißen Blüten. Aus dieser Pflanze wird der berühmte sardische Likör Mirto hergestellt. Er wird entweder als Digestif nach dem Essen serviert oder man genießt ein Glas eisgekühlt vor dem Schlafengehen. Es gibt zwei Varianten: den roten Mirto (Mirto Rosso), der aus den dunklem Beeren hergestellt wird, und den weißen Mirto (Mirto Bianco oder manchmal auch Mirto Verde), der aus den Blüten und Blättern der Pflanze destilliert wird.
Weitere häufig zu sehende Sträucher sind die immergrünen Baumerika, die im Frühling zartrosa bis weiß blühen, die Ginster-Büsche mit leuchtend gelben Blüten und die bis zu 3 Meter hohen Steinlinden (Filirea), die vielen Vögeln als Nistplatz dienen.
Zu den verbreitesten Bäumen auf Sardinien gehören die Steineiche, die in hohen Lagen dichte Wälder bildet, die hohen Pinien in den Küstenregionen, deren Samen die delikaten Pinienkerne sind, und natürlich die immer präsenten Olivenbäume, aus den das köstliche sardische Olivenöl gewonen wird, und die Feigenbäume, deren süße Früchte typisch für den Sommer sind.

Der Erdbeerbaum (Corbezzolo) ist ein echtes Wahrzeichen Sardiniens. Seine leuchtend roten Früchte reifen im Herbst, während gleichzeitig die weißen Blüten erscheinen. Aus dem Honig des Corbezzolo entsteht der berühmte, leicht bittere „Miele di Corbezzolo“, der zu den kostbarsten Honigsorten Italiens zählt.

Die Korkeiche dominiert im Inneren der Insel die Wälder. Ihre dicke Rinde wird regelmäßig sehr sorgsam geerntet, um den Baum nicht zu schädigen, also ein nachhaltiger Prozess, der seit Jahrhunderten Tradition hat. Aus der Rinde entstehten Korken für Flaschen, isolierende Böden und Handwerksprodukte, wie zum Beispiel auch schicke Handtasche und unkonventionelle Schmuckkreationen.

Eine Landschaft im Wandel
Die Macchia ist nicht nur eine Vegetationsform, sondern auch ein lebendiges Ökosystem. Zahlreiche Tiere – von Wildschweinen und Füchsen bis zu Schildkröten, Eidechsen und unzähligen Vogelarten – finden hier Schutz und Nahrung. Doch auch die Macchia ist empfindlich: Waldbrände, Bebauung und Überweidung setzen ihr zu. In vielen Regionen werden heute Schutzmaßnahmen ergriffen, um dieses einzigartige Naturerbe für einen nachhaltigen Urlaub auch in der Zukunft zu bewahren.
Die sardische Macchia ist mehr als nur Buschwerk – sie ist ein Ausdruck mediterraner Wildheit, eine Mischung aus Duft, Farbe und Geschichte. Wer durch sie wandert, erlebt die ursprüngliche Seele der Insel: rau, aromatisch und unvergesslich.
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