Beim Stichwort Karneval denkt man vielleicht zunächst an niedliche Kostüme und Masken, allegorische Wagen und viel buntes Konfetti, aber der Karneval auf Sardinien, der auf Sardinisch „Su Carrasecare“ genannt wird, mit seinen heidnischen und archaischen Wurzeln ist etwas ganz anderes und bietet viel Abwechslung vom gängigen Bild. Deshalb empfehlen wir Ihnen, vor allem wenn Sie neugierig auf Land und Leute sind, einen Urlaub auf Sardinien in der Karnevalszeit.
Fast jede Stadt auf Sardinien hat ihre eigene Tradition und ihr eigenes Ritual zum Feiern. Eine einzigartige Gelegenheit also, auch die kleineren Orte Sardiniens kennenzulernen, in einer Jahreszeit, in der die Meisten glauben, die Insel sei „geschlossen“.
Traditionelle Masken
Um der eindrucksvollen Welt der traditionellen Masken näher zu kommen, empfehlen wir Ihnen, in Barbagia zu übernachten. Die Barbagia ist das Herz von Sardinien, das sich über die Hänge des Gennargentu, dem Bergmassiv in der Mitte der Insel, und die niedrigeren Erhebungen rund um diesen erstreckt.
Tatsächlich haben hier die traditionelle Masken, die typisch für das Hinterland und insbesondere für die Region Nuoro sind, die „Globalisierung“ des Karnevals über die Jahrhunderte hinweg überdauert. Die geschnitzten Holzmasken werden von erfahrenen Handwerkern kunstvoll mit schillernden Formen und Farben verziert und stehen symbolisch für Riten und Mythen der Natur, die tief mit der agropastoralen Tradition und den Zyklen der Wiedergeburt der Jahreszeiten verbunden sind. Die traditionelle Masken sind heidnischen Ursprungs , wurden aber im Laufe der Zeit mit bestimmten religiösen Ereignissen in Verbindung gebracht, wie den großen Feuern, die am 16. Januar zum Fest des Heiligen Sant’Antonio Abate angezündet werden. In dieser Nacht, mit den Feuern, die die dunkle Nacht des kalten Barbagia-Winters erhellen, hallen die Kuhglockentänze und die schweren Schritte der Maskenträger mit ihren imposanten (und oft auch beängstigenden) Gesichtern und ihren animalischen Schreien zum ersten Mal in den Gassen der Städte wider.
Mamuthones und Issohadores von Mamoiada
Der vielleicht bekannteste ist der Mamoiada-Karneval ein paar Kilometer von Nuoro entfernt mit seinen Mammuthones und Issohadores und ihren Holzmasken, die in starkem Kontrast zueinander stehen: Schwarz für die düsteren Mammuthones (die auf ihrem Rücken zusätzlich rund 30 kg schwere Kuhglocken tragen) und weiß für die eleganten Issohadores mit ihren roten Jacken. Während der Prozessionen treiben die Issahadores unter Einbeziehung der Zuschauer die mit dunklen Schafwollfellen bedeckten Mammuthones vor sich hin.
In Mamoiada finden Sie das Museum traditioneller mediterraner Masken und es mangelt nicht an Weinbars, Restaurants und Weinkellern, in denen Sie die hervorragenden lokalen Weine probieren können.
Boes und Merdules von Ottana
Noch in derselben Nacht, ein paar Kilometer von Mamoiada entfernt, machen die Ottana-Masken ihren ersten Ausflug. Die Boes und die Merdules stellen den Kampf um die Domestizierung zwischen Mensch und Ochse/Stier dar. Bei diesem überwältigenden Zug ziehen zunächst die in weiße Schafwolle und schwere Kuhglocken gekleideten Boes (Tiere) in rhythmischem Tempo voran. Dann ändert sich das Tempo, der Boe rebelliert, bahnt sich seinen Weg durch das überraschte Publikum, zappelt, bis er direkt seinem Meister gegenübersteht, dem Su Merdule, der mit seinem Stock oder einer Lederpeitsche für Ordnung sorgt. Die Gesichter beider Charaktere sind mit Masken (Carazzas) bedeckt, die handgeschnitzt aus wildem Birnbaumholz geschnitzt sind.
In Ottana können Sie die prächtige Kirche San Nicola aus dem Jahr 1100 bewundern und die Werkstätten der Kunsthandwerker besuchen, die die Masken schnitzen.
Thurpos von Orotelli
Die einzigen Barbagia-Masken mit unbedecktem Gesicht sind die Thurpos. Ihre Darstellung ist eine klare Anspielung auf landwirtschaftliche Rituale. Die Thurpos, gekleidet in den schwarzen Wollmantel, an dem der Glockengürtel hängt, ihre aschebefleckten Gesichter fast von der bis über die Augen gezogenen Kapuze verdeckt, bewegen sich in Dreiergruppen und ahmen mit langen Schnüren die Ochsen nach, die vom Bauern angespannt und geführt werden. Am Ende des Umzugs nimmt der Thurpos ein unglückliches Mitglied des Publikums gefangen, dem Wein angeboten wird. Nur durch eine Gegenleistung wird er aus seiner „Gefangenschaft“ befreit.
Orotelli ist ein kleines Dorf in der Barbagia, das Kirchen wie die von San Giovanni und eine Nuraghe in der Nähe des historischen Zentrums beherbergt.
Su Battileddu in Lula
Am Fuße des Montalbo wird die kleine Stadt Lula zum Schauplatz des blutigsten Karnevals Sardiniens. Tatsächlich geht die traditionelle Maskierung Su Battileddu, das Opfer des Karnevals, dessen Aufgabe es ist, die Erde fruchtbar zu machen, mit dem Magen eines Widders voller Blut unter seinem Umhang durch die Stadt. Auch die Zuschauer werden hier zu Protagonisten dieses einzigartigen Rituals.
Montalbo di Lula ist Teil des UNESCO-Biosphärenreservats mit zahlreichen Wander- und Kletterwegen zwischen den alten Köhlerstraßen und den alten Minen.
Urtos und Buttudos in Fonni
Das Mensch-Tier-Duo lebt beim traditionellen Karnevalsumzug in Fonni wieder auf, allerdings mit einer ganz besonderen Dynamik. Hier sind die Teilnehmer zu wahren Kunststücken fähig, indem sie mit bloßen Händen in die höchsten Stockwerke der Häuser der Stadt erklimmen, um sich dort ein gutes Glas Wein anbieten zu lassen.
Fonni ist mit 1.000 m über dem Meeresspiegel der höchstgelegenste Ort Sardiniens und die einzige, die über ein Skigebiet verfügt.
Mamutzones in Samugheo
Die Mamutzones von Samugheo in Mandrolisai haben ihren Kopf mit einem großen Korkhut bedeckt, auf dem echte Ziegenhörner sitzen, und ihre Schultern sind mit einer schwarzen Ziegenfellmütze bedeckt. Sie marschieren gemeinsam im Rhythmus der Kuhglocken mit einem von Zeit zu Zeit unterbrochenen Kadenzschritt umher, um einen rituellen Kreis zu bilden, in dessen Mitte sie dem Gruppenführer ihre Ehrerbietung erweisen, indem sie ihre Kopfbedeckung abnehmen.
Samugheo ist auf der ganzen Welt für seine Textiltradition bekannt, die insbesondere mit der Herstellung hochwertiger Teppiche verbunden ist. Es gibt zahlreiche handwerkliche Textilwerkstätten und auch das MURATS (Regionalmuseum für sardische Textilkunst) ist sehenswert.
Su Bundu in Orani
Das gesicht des Su Bundu ist mit einer blutrot gefärbten Korkmaske bedeckt, die zwar menschliche Züge zeigt, die aber so übertrieben sind (dicke Lippen, große Nase), dass sie schon wieder grotesk wirken. Mit den langen schwarzen Umhängen und der hölzernen Heugabel sieht Su Bundu aus wie ein kleiner, zappelnder Teufel, der unter großem Geschrei in einer Gruppe in einer fröhlichen Parade in die Stadt einzieht.
Orani, am Fuße des Monte Gonare, ist der Geburtsort des großen Künstlers und Designers Costantino Nivola, dem das gleichnamige Museum gewidmet ist.
Natürlich wird auch in anderen Orten auf Sardinien ausgiebig Karneval gefeiert, besonders beeindruckend ist dabei das Reiterturnier Sa Sartiglia in Oristano.