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Kultur & Sardinien: Sardische Autoren und ihre Geschichten

Andrea Camilleri, Umberto Eco, Giorgio Faletti, Elena Ferrante, Paolo Giordano, Dacia Maraini, Primo Levi und Roberto Saviano zählen sicher zu den großen italienischen Autoren der Gegenwartsliteratur und erfreuen sich auch in Deutschland einer stetig wachsender Beliebtheit. Weniger bekannt sind dagegen Schriftsteller aus Sardinien, abgesehen vielleicht von Grazia Deledda, die 1871 in Nuoro geboren und 1926 für ihren Schicksalsroman Schilf im Wind mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Sardische Literatur im Wandel: Vom archaischen Hirtentum auf dem Weg in die Moderne

Wer mehr über Sardinien, seine Geschichte und Gesellschaft erfahren möchte, der kann zum Beispiel den von Salvatore Satta geschriebenen und nur posthum im Jahr 1977 veröffentlichten Roman Der Tag des Gerichts (Il giorno del giudizio) lesen. Satta stellt in diesem Buch schonungslos die Schwächen der Gesellschaft und das soziale Panorama anhand einer genauen psychologischen Beobachtung der in Nuoro ansässigen, wohlhabenden Familie Sanna Carboni und ihres Umfeldes, bei den Bürgern der Stadt bis hin zu Hirten, Priestern, Banditen und Prostituierten.

Weitere wichtige Werke, die einen Einblick in den wachsenden Konflikt zwischen uralten Traditionen, dem archaischen Sardinien der Hirten und dessen harten Gesetzen und der stetigen Modernisierung der letzten Jahrzehnte bieten, sind die autobiographischen Romane Meine Sardische Jahre. Tagebuch einer jungen Lehrerin ( 1957) von Maria Giacobbe und Padre Padrone – Mein Vater, mein Herr (1975) von Gavino Ledda.

Salvatore Mannuzzu und Giorgio Todde sind zwei Autoren, die zusammen mit dem vielschichtigen Marcello Fois den Grundstein für den sardischen Kriminalroman gelegt haben. Zu erwähnen sind hier von Salvatorre Mannuzzu Der Fall Valerio Garau und das leider nicht übersetzte Werk Procedura, und von Giorgio Todde die Reihe um den Einbalsamierer Efisio Marini, der um 1860 als Hobby-Ermittler zahlreiche mysteriöse Mordfälle auf Sardinien löst.

Von Sergio Atzeni sind in Deutschland veröffentlicht Bakunins Sohn und Schöne Schmetterlinge. In Bakunins Sohn, das zwischen 1930 und 1950 auf Sardinien spielt, will der Sohn eines Bergarbeiters mehr über das entbehrungsreiche Leben seines Vater während des faschistischen Regimes erfahren. Als Kulisse dienen hier die Minen von Guspini und Montevecchio, eines der wichtigsten, inzwischen geschlossenes Kohlerevier im Südwesten Sardiniens. Nicht übersetzt wurde sein Buch Passavamo sulla terra leggeri, dass, zwischen Legenden und Mythen, die facettenreiche Geschichte Sardiniens von der Urzeit bis zum Mittelalter erzählt.

Zu den wichtigen Vertretern der modernen sardischen Literatur, deren Bücher auch in Deutschland erhältlich sind, zählen sicher Salvatore Niffoi (Die barfüßige Witwe, Die Legende von Redenta Tiria), Milena Agus (Die Frau im Mond, Eine fast perfekte Welt, Die Gräfin der Lüfte, Solange der Haifisch schläft), Michela Murgia (Accabadora, Elf Wege über eine Insel, Murmelbrüder: Eine Geschichte aus Sardinien, Faschist werden: eine Anleitung, Chiru‘) und Cristian Mannu (Maria di Ísili, leider noch nicht übersetzt, Stand Frühling 2020).

Die in Sassari geborene Autorin Bianca Pitzorno gilt als eine der bekanntesten Kinderbuchautorinen Italiens. Sie schreibt nicht direkt über Sardinien, nutzt aber ihre Bücher, um amüsant und trotzdem einfühlsam auf soziale und politische Probleme hinzuweisen. Die beiden Romane Polissena mt dem Schweinchen und Die unglaubliche Geschichte von Lavinia sind auch in deutscher Sprache erhältlich.

Literatur-Festivale auf Sardinien für Erwachsene und Kinder

Genug Lesestoff also, um Sardinien, seine noch heute fest verankerten Traditionen und seinen Weg in die Moderne aus ersten Hand zu erfahren. Natürlich finden auf Sardinien auch regelmäßig kleine und große Literatur-Festivale statt: erwähnenswert sicher Anfang Juli in Gavoi das Festival Letterario della Sardegna und, besonders für Kinder und Jugendliche, das in Cagliari von der Buchhandlung Tutte Storie jährlich im Oktober organisierte Festival della Letteratura per Ragazzi.

Text und Foto: Sardinia Natour, April 2020